MEINE bunten BEETE

Gutes tun mit Gräsern

Von Missverständnissen und Möglichkeiten

Es ist nicht verwunderlich, dass die Begriffe „Gräser“ und „Naturgarten“ keine sind, die man spontan miteinander in Verbindung bringen würde. Schließlich sieht man Gräser heute hauptsächlich in modernen Vorgartenanlagen, wo sie säulenartig arrangiert dazu bestimmt sind, einen möglichst eindrucksvollen Gang zur Haustür zu prägen. Oder sie tauchen an einer beliebigen Stelle im Vorgarten auf, manchmal zusammen mit zwei oder drei ihrer Artgenossen. Leider nur als Ergebnis eines Ad-hoc-Kaufs, den man im vorigen Herbst noch schnell im Gartencenter erledigt hat, weil Farben und Blattwerk der Gräser an einem tristen Regentag eine so schöne Herbststimmung versprüht haben.

Gräser gehören eben zu den typischen Pflanzen, die man als Einzelstück beim Einkauf „mal eben so“ mitnimmt, weil man davon ausgeht, dass sie auch im Blumentopf gut unterkommen können. Der erste Rückschnitt im Frühjahr offenbart dann jedoch häufig, dass die Wirkung im übergroßen Blumentopf so radikal kurz geschnitten gar nicht mehr so eindrucksvoll ist wie noch im Winter zuvor. Und so endet die Pflanze dann eben doch an einer beliebigen noch freien Stelle im Blumenbeet.

Denn mir fallen auf Anhieb zwei Situationen ein, in denen Gräser in meinen Augen keine gute Wahl sind. Kurioserweise trifft man sie aber in ebendiesen Situationen sehr häufig an.

Das betrifft zum einen den Einsatz von Gräsern in Schottergärten. Nun sind Schottergärten ja ohnehin etwas, das, je nachdem in welchem Bundesland oder in welcher Gemeinde man sich bewegt, schon verboten ist oder es hoffentlich bald sein wird. Wenn man allerdings an einem dieser Schottergärten, die leider in fast jeder Nachbarschaft noch zu finden sind, vorbeikommt, fällt auf, dass sie selten vollständig grau sind. Stattdessen ragt an einigen Stellen tatsächlich oftmals etwas Grünes hervor. Und das ist, nur gefühlt, in 80 Prozent der Fälle, ein bemitleidenswerter Vertreter der wunderbaren Gräserfamilien.

Eigentlich ist das schon fast lustig. Ich frage mich, wenn ich an so einem Vorgartenexemplar vorbeifahre, was sich die Besitzer des Schottergartens während ihrer „Beetanlage“ wohl gedacht haben. Geht es ihnen um einen kleinen Farbklecks, der die Stimmung hebt? Oder sind sie der ernsthaften Meinung, dass eine Pflanze alleine ihr ökologisches Nullniveau in den positiven Bereich heben kann? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Was ich allerdings schade finde, ist, dass den lieben Gräsern durch ihren wohldosierten Einsatz in Schottergärten leider ihr Ruf abhandenkommt.

Die zweite Situation, in der ich den Einsatz von Gräsern nicht optimal finde, bezieht sich auf eine Modeerscheinung, die in den letzten 10 Jahren Einzug in unsere Vorgärten gehalten hat. Und ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass das sicher auch daran liegt, dass Gartenmagazine, Blogs und Instakanäle mit ihren Tipps zum perfekten Rückschnitt diesen Trend permanent befeuern.

Was ich meine, ist das vielfach beschriebene und auch in der Floristik gerne verwendete Pampasgras. Pampasgras (Cortaderia selloana) scheint tatsächlich auch ein beliebtes Element in Schottergärten zu sein. Viel seltsamer finde ich aber, dass Pampasgräser unheimlich oft inmitten eines kleinen Vorgarten-Rasens zu sehen sind, der zu einem in den 60er Jahren gebauten Haus gehört. Also zu einem der eher alten Einfamilienhäuser, die zu Zeiten gebaut wurden, als Grundstücke noch groß und mit einem halbwegs üppigen Vorgarten ausgestattet waren. Es ist wie immer alles Geschmackssache, aber ich verbinde Pampasgras mit Sonne, Wärme und Sand, zumindest mit irgendeiner Form von Exotik. Aber nicht mit einer rechteckigen Rasenfläche, die durch Bodendeckerrosen oder eine Reihe weißer Schneeballhortensien vor dem Haus abgeschlossen wird. Pampasgras mag optisch viele Vorzüge haben. Man muss ihm aber den richtigen Standort und die passenden Beetpartner zugestehen, damit sie zur Geltung kommen können.      

Zurück zu meiner eigentlichen Frage. Nehmen wir die beiden beschriebenen Situationen mal aus.

Wieso haben Gräser den Ruf, in so vielen unterschiedlichen Gartensituationen die passende Wahl zu sein?

Beginnen wir mit dem Offensichtlichen.

Gräser können im Garten, je nachdem wie sie in grünem, silberfarbenem, blauem, kupferfarbenem, rotem oder panaschiertem Laub arrangiert werden, Tiefe verleihen, als Gerüst fungieren oder ganz gezielt für einen satten Farbanstrich sorgen. Im Handel sind sie in zahlreichen Varianten und für verschiedenste Gartenstandorte erhältlich. Gefühlt sind aber alle Gräser „immergrün“, also im Sinne ihres ganzjährigen Versprechens, etwas im Beet her zu machen. Und das tun sie auch. Nachdem sie im Herbst die für ihre Sorte typische Farbvariation angenommen haben, sind sie auch im Winter, wenn man sie denn stehen lässt, ein optischer Blickfang, oftmals im gerade angesagten Look, nämlich sandfarben.  

Die Farbgebung ist nicht alles, was Gräsern so eine ansprechende Ausstrahlung gibt. Ihre Statur, von streng geradlinig bis locker überhängend, ist in jedem Garten neben ausufernden Sträuchern und wildwachsenden Stauden eine angenehme Erscheinung. Falls Gräser nach einigen Jahr doch zu groß werden, können sie im folgenden Frühjahr (nach dem Kürzen) wieder geteilt und damit verkleinert werden und nehmen rein optisch deshalb nur selten überhand (ausgenommen sei zum Beispiel das Federgras (Stipa tenuissima), das man unbedingt im Auge behalten muss).

Überhaupt vermitteln Gräser dank ihrer eher formstabilen und filigranen Struktur eine gewisse Ruhe im Pflanzbeet. Selbst in einem naturbelassenen wilden Stauden- und Gräserarrangement schaffen sie es, eine gewisse Ordnung zu versprühen. Ich würde sogar behaupten, Sie vermitteln die Existenz eines Plans, auch wenn sie gar keinem folgen.

Dabei geben sie Gärtner und Betrachter ein ganz ähnliches Gefühl – und zwar: Hier ist alles unter Kontrolle, hier ist nichts zu befürchten. Und das ist schön, in einer Welt, in der man leicht das Gefühl hat, dass einem die Kontrolle über das eigene Leben entgleitet. Letztlich ist die Bepflanzung mit Gräsern dann vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass der Gärtner eben gerade nach Ordnung, Planung und Kontrolle sucht.

Wenn ich an mein frisch angelegtes Beet im vorderen Bereich unseres Gartens denke, trifft das in jedem Fall zu. „Zumindest ein Beet im Garten soll ganzjährig „ordentlich“ aussehen und kontrollierbar bleiben“, waren meine Gedanken, bevor ich mich an die Pflanzbestellungen gemacht habe. Und was soll ich sagen. Neben zahlreichen trockenheitsliebenden Stauden und Zwiebelblumen sind eben 7 Riesen-Rutenhirsen (Panicum virgatum 'Northwind'), 5 Chinaschilf-Pflanzen (Miscanthus sinensis 'Graziella') und 7 Lampenputzergräser (Pennisetum alopecuroides 'Hameln') dabei herausgekommen. Und nach mittlerweile einem überstandenen Gartenjahr kann ich sagen, sie alle haben gehalten, was sie versprochen haben.

Und damit komme ich zu ihrem zweiten großen Pluspunkt, den jeder Hobbygärtner beim Einsatz von Gräsern wohl im Hinterkopf hat. Zur Pflege von Gräsern, die eben vergleichsweise einfach und ohne viele Vorkenntnisse zu handhaben ist. Abgesehen von den immergrünen Gräsern, erwarten die meisten Gräser einzig im Frühjahr vor dem Neuaustrieb einen starken Rückschnitt bis wenige Zentimeter über dem Boden und ggf. das Zusammenbinden der Halme vor einem sehr kalten Winter. Ansonsten bieten sich Gräser quasi selbst ausreichend Winterschutz. Ihre Wirkung ist das ganze Jahr über auch ohne Pflege, dafür inklusive variantenreicher Farbspiele, ordentlich. Klar, dass man als Gärtner schnell das Gefühl hat, dass Gräser ähnlich wie ein drittes Kind, „einfach nur noch mitlaufen“ und im Garten kaum Mehrarbeit machen.

Besonders beliebt sind Gräser aber aufgrund ihrer Paraderolle als Gestaltungselement im Staudenbeet. Richtig arrangiert verleihen sie dem Garten Tiefe oder Sichtschutz, sie lenken die Blicke der Betrachter in eine ganz bestimmte Richtung und sie haben das Talent, Räume zu schaffen. Ganz egal ob durch das Säumen von Wegen oder ganzen Gartenräumen.

Damit sind Gräser selbst für Laien eine relativ einfache Möglichkeit, einen Garten oder ein Beet interessant und einzigartig zu gestalten.

Eine markante Optik, die einfache Pflege und ihre unbestreitbare Kraft als Gestaltungselement im Garten machen Gräser zu einem vielfältig vertretenen Gartenliebling in modernen und natürlichen Gärten.

Auf den ersten Blick würde man nun annehmen, dass Gräser in Punkto Ökologie keinen wesentlichen Beitrag leisten können. Dieser Gedanke ist nachvollziehbar, schließlich verfügen Gräser über keine nektarproduzierende Blüte. Ganz richtig ist das allerdings nicht und deshalb ist es umso wichtiger, die Rolle von Gräsern im Naturgarten noch einmal gesondert zu betrachten.

Tatsächlich stellen sie für viele Schmetterlings- und Heuschreckenarten eine wichtige Nahrungsquelle dar, für manche ihrer Art sogar die ausschließliche. Während der Gräserhorst ganzjährig bei Tag und Nacht einen idealen Rückzugsort für verschiedenste Arten, wie Schmetterlinge, Heuschrecken, Ackerhummeln, Falterlarven, Spinnen oder Käfer bietet, schaffen die abgetrockneten und stehengelassenen Stängel im Winter auch Schutz vor Kälte und Fressfeinden und Platz zur Eiablage.  

Deshalb ist es nicht nur wichtig, mit Ziergräsern eigene geschützte Orte im Garten zu schaffen, sondern auch, Wiesen nicht vollständig abzumähen, sondern ganz bewusst stehen zu lassen.

Heimische Gräser, die im Naturgarten etwas her machen, sind zum Beispiel das Zittergras (Brizza media), der Blauschwingel (Festuca cinerea glauca) oder das Wimper-Perlgras (Melica ciliata).

Ich habe, unabhängig von wildgewachsenen Wiesengräsern, als heimische Vertreter selbst nur das Herz-Zittergras in meinem Garten gepflanzt und darüber hinaus zahlreiche Ziergräser wie Chinaschilf (Miscanthus sinensis 'Kleine Fontäne' und Miscanthus sinensis 'Graziella'), Rutenhirse (Panicum virgatum 'Northwind'), Lampenputzergras (Pennisetum alopecuroides 'Hameln'), Reitgras (Calamagrostis x acutiflora 'Karl Foerster') und Federgras (Stipa tenuissima) gesetzt.

Dass ich mit der hohen Anzahl an Ziergräsern auch den Vögeln eine besondere Freude mache, wurde mir Mitte Dezember letzten Jahres klar. Vom einen auf den anderen Tag konnte ich im vorderen Gartenbereich, der von Chinaschilf, Rutenhirse und Lampenputzergras dominiert wird, zunehmend Vögel zwischen den Gräserhorsten und den stehengebliebenen Astern hin und her hüpfen sehen. Ich hatte mich zuvor noch nie mit dem Nutzen von Ziergräsern für Vögel beschäftigt, weiß jetzt aber, dass Vögel sich nicht nur die Samenstände gerne schmecken lassen, sondern sich auch für den Nestbau an ihnen bedienen. Egal zu welcher Tageszeit ich im Moment an das Fenster trete oder die Rollläden hochziehe, fast immer hat sich eine Schar glücklicher Vögel das Gräserbeet zu eigen gemacht.

Wer derzeit also plant, ein Beet mit Ziergräsern anzulegen, dem kann ich nur empfehlen, möglichst viele Gräser (vor allem Chinaschilf) in Kombination mit anderen horstbildenden Pflanzen zu setzen, die ausreichend Fläche und Möglichkeiten zum Futtern, Erkunden und Ausruhen bieten. Und schneller als man denkt, hat man mit einer bunten Auswahl an Gräsern einen kleinen Abenteuerspielplatz für Vögel und andere wichtige Arten im Naturgarten geschaffen.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert